In Bewegung – know your feminist history
Vorträge, Diskussionen und Filme
eine Veranstaltungsreihe des AFBL

Glücklicherweise müssen wir nicht mehr darüber diskutieren, ob
Frauen wirklich wählen sollten, ob verheiratete Frauen ein eigenes Konto
besitzen dürfen oder ob Frauen ihren Beruf, ihren Wohnort und ihre
Partner_innen selbst aussuchen können. Aber seit wann sind diese Rechte
denn durchgesetzt? Wer hat dafür gekämpft und wie wurden diese
Kämpferinnen bekämpft? Und: Was ist denn geblieben von vergangenen
Kämpfen? Welche müssen weiterhin geführt werden, welche sind neu
hinzugekommen? Um diese und weitere Fragen wird es in den Veranstaltungen
gehen.
Die Erste und Zweite Frauenbewegung und ihre Protagonist_innen sollen nicht nur
vorgestellt, sondern auch kritisch diskutiert werden. Die Differenzen, die
innerhalb der sehr verschiedenen Frauenorganisationen existierten und die
unterschiedlichen Themenfelder, mit denen sich Frauenrechtlerinnen und
Feministinnen beschäftig(t)en, werden genauso aufgegriffen wie die
gesellschaftlichen und politischen Wirkungen, die sie erzielten. Doch nicht nur
der feministische Aufbruch in Westdeutschland wird thematisiert, auch
Emanzipationsbegriff und Rollenverständnis von Frauen in der DDR werden in
einer Podiumsdiskussion gemeinsam mit Protagonistinnen diskutiert.
Heute geht es neben einer Analyse des Geschlechterverhältnisses und der
Frage nach dem Status Quo des strukturellen Patriarchats auch darum, wie
Gechlechtergrenzen aufzuweichen oder gar aufzulösen seien.
Queere Theorie und Praxis hat sich aus dem Feminismus heraus entwickelt, mit
dem Ziel Geschlecht zu dekonstruieren und die heterosexuelle Norm zu
hinterfragen. Häufig, so scheint es zumindest, werden dabei vornehmlich
individuelle Praktiken entwickelt und Gesellschaftskritik vernachlässigt.
Grund genug zu fragen: Welche politische Dimension besitzt „queer“?

Begleitet werden die Veranstaltungen von einer Filmreihe im UT Connewitz, in
der einige Perlen der queer- feministischen Filmgeschichte zu sehen sein
werden. Filme als Medium wurden oft genutzt, um deviante Rollenbilder und ein
emanzipatorisches Geschlechterverhältnis zu entwerfen oder Kritik am
Bestehenden zu formulieren. Wir wollen rückblickend zeigen, wie diese
Bilder aussahen und aussehen und dem kulturellen Wirken von Feminist_innen eine
Öffentlichkeit bieten.

DISKUSSIONEN UND VORTRÄGE

11.05., 19:30h, Conne Island:
Die Erste Frauenbewegung – antimoderne Moderne?

Die Erste Frauenbewegung kann einerseits als Ausdruck der Moderne verstanden
werden, andererseits trägt sie auch antimoderne Züge, die sich
besonders in der Auseinandersetzung mit dem Arbeitsbegriff, antisemitischen
Stereotypen und Rassedenken zeigen. Ihre GegnerInnen sahen die Frauenbewegung
oft als Untergang für die bestehende Kultur an und setzten z.B.
jüdische Emanzipation mit der von Frauen gleich, um sie als jüdisches
Machwerk zu diffamieren. Die Veranstaltung zeigt moderne wie antimoderne
Inhalte der Ersten Frauenbewegung auf und diskutiert, welche Themen die Frauen
beschäftigten, wie sie sich zusammenschlossen und welche Konflikte
innerhalb der unterschiedlichen Organisationen existierten.

Referentin: Anna Pollmann, Kulturwissenschaftlerin

03.06., Conne Island
„Die Frauenfrage ist gelöst!“ Rollenbilder und Emanzipationsbegriff von Frauen in der DDR

Das sozialistische Ideal sah für Frauen Gleichberechtigung vor. Als
Werktätige galten sie quasi automatisch auch in allen anderen Bereichen
als befreit.
Aber waren Frauen in der DDR dem Abbau geschlechterspezifischer Hierarchien
tatsächlich nähergekommen? Es gab Einige, die dies in Frage stellten,
und sich damit der Anschuldigung der Systemkritik aussetzten. Wie sich Frauen
dennoch organisierten, welche Formen und Inhalte Frauengruppen in der DDR
hatten und wie widersprüchlich die Situation von Frauen wahrgenommen
wurde, ist das Thema dieses Abends.

Podiumsgespräch mit
Karin Dauenheimer (Diplom-Theologin, Künstlerin, damals AK
Homosexualität in der ev. Kirche, AK Feministische Theologie)
Annegret Schüle (Historikerin mit Schwerpunkt Frauen als Werktätige
in der DDR)
Birgit Bütow (Soziologin mit dem Schwerpunkt Frauen- und
Mädchenarbeit)
Monique Förster (Leiterin Kunsthaus Erfurt, Mitbegründerin der
Künstlerinnengruppe ExterraXX)

17.06., 19:30h, GfzK:
Die Zweite Frauenbewegung – Wie aus Selbstbestimmungsrecht Self-Management wurde

Nach einer kurzen Einleitung in die Geschichte der Zweiten Frauenbewegung in
der BRD diskutiert Paula-Irene Villa in ihrem Referat die Frage, inwieweit die
Zweiten Frauenbewegung mit ihrer Verknüpfung des Privaten und Politischen
sowie ihrem Einklagen nach feministischer Selbstermächtigung und Autonomie
in Bezug auf den eigenen Körper („mein Bauch gehört mir“) die
heute gängige individualistische Manipulation des Körpers (z.B. durch
Schönheitschirurgie, Diäten, Kosmetik), beziehungsweise einen Zwang
zum Selbstmanagement qua Körper gleichsam mit hervorgebracht habe.

Referentin: Paula-Irene Villa, Soziologin

05.07., 19:30h, Conne Island:
Theorie und Bewegung – Queere Herrschaftskritik und politische
Interventionen

Queere Theorie befragt die Normierung von Geschlecht und Sexualität und
verweist auf die Ausschlüsse bei der Re-/Produktion von Identitäten.
Dabei betont sie die Verwobenheit verschiedener Herrschaftsunterscheidungen.
Queer-politische Interventionen sind zu einem festen Bestandteil feministischer
und sexualpolitischer Kämpfe geworden. Wie sind Queer Theory und Queer
Politics entstanden? Welche neuen Begriffe werden diskutiert? Welche
Entwicklungen und Konflikte gab es? Wo sind ungelöste Sollbruchstellen?
Welches politische Potenzial steckt darin?

Referent: Volker Woltersdorff alias Lore Logorrhöe,
Kulturwissenschaftler

FILMREIHE

Die Filmreihe gibt einen kleinen Einblick in queer-feministische
Filmgeschichte. Die Filme laufen ergänzend zur Veranstaltungsreihe und
spannen ebenfalls einen Bogen von der Zeit der Ersten Frauenbewegung bis zur
queeren Theorie und Praxis.

18.05. 20:00, UT Connewitz:
A Florida Enchantment (USA 1914, 63 min, Stummfilm, Sidney Drew)

Lillian Travers, eine gelangweilte junge Frau, ist die Eskapaden ihres
wesentlich älteren Verlobten leid. Zufällig gelangt sie in den Besitz
geheimnisvoller Kräuter, die eine Verwandlung von Männern in Frauen
und von Frauen in Männer bewirken sollen. Einmal eingenommen, hat Lillian
als Mann eine phantastische Zeit. Sie küsst andere Frauen, raucht
Zigaretten, trägt Männerkleidung und genießt die neu entdeckte
Unabhängigkeit. Das sorgt ordentlich für Verwirrung, nicht zuletzt
bei ihrem Verlobten. Um ihn loszuwerden, bewegt sie ihn zur Einnahme der
Kräuter. Für ihn jedoch wird der Geschlechtertausch gefährlich,
als er versucht, einen Mann zu verführen.

01.06. 20:00, UT Connewitz
Born in Flames (USA 1983, 80 min, Regie: Lizzie Borden)

Ein feministischer Science-Fiction, der mit pseudodokumentarischen Bildern ein
imaginäres New York zehn Jahre nach der sozialistischen Revolution
entwirft. Immer noch sind Frauen von Unterdrückung und Gewalt betroffen.
Im Untergrund beginnen sie sich zu organisieren – doch je nach Herkunft
und Identität bilden sich verschiedene Gruppen, die sehr unterschiedliche
Ideen davon haben, was zu verändern sei und wie. Als die charismatische
Anführerin der „Women`s Army“ auf mysteriöse Weise im
Polizeigewahrsam umkommt, schließen sich ein Zeitungskollektiv
weißer Mittelschichtsfrauen und die zwei ungleichen Piratinnen-Sender
„Phoenix Radio“ (Rap) und „Radio Ragazza“ (Punk) zusammen, um die
feministische Gegenrevolution anzuführen. Noch 25 Jahre nach Entstehung
des Films haben die politischen Debatten eine erstaunliche Aktualität.

08.06. 20:00, UT Connewitz
Tausendschönchen (CSSR, 1966, 74 Min., Regie Vera Chytilová

Weiblicher Hedonismus im realen Sozialismus: Marie und Marie toben spielerisch
durch die bürgerlich-patriarchale Gesellschaft und hinterlassen eine dabei
eine Spur der Zerstörung. In lose verbundenen, surrealistischen Szenen
erzählt der Film mit allem was Avantgarde und Pop-Art zu dieser Zeit zu
bieten hatten von der Zerstörung als befreiender und gefährlicher
Kraft. Dieses anarcho-feministische Glanzstück wurde nach der Zerschlagung
des Prager Frühlings in der CSSR verboten.

24.06. 20:00, UT Connewitz:
Wild Side (Frankreich/Belgien 2004, 94 min, Regie: Sébastien Lifshitz)

Stéphanie erfährt durch einen Anruf, dass ihre Mutter im Sterben
liegt. Die Prostituierte, einst als Pierre in der Provinz aufgewachsen,
fährt mit dem Gelegenheitsstricher Djamel und dem Tschetschenien-Veteranen
Mikhail in ihre ungeliebte Heimat. Wortkarg und mit wundervollen poetischen
Bilder beschreibt der Film die Ablösung von der Mutter als
Repräsentantin der bürgerlichen Familie und entwirft die
Wahlverwandschaft der Figuren als innige Gemeinschaft, in der es um Bindung und
nicht um Identitätssuche geht.

AFBL.tk

Eine Veranstaltungsreihe des AFBL (Antifaschistischer Frauenblock Leipzig)
in Zusammenarbeit mit Weiterdenken – Heinrich Böll Stiftung Sachsen,
Referat für Gelichstellung und Lebensweisenpolitik (RGL) im StuRa Leipzig
und amplify! Conne Island.