Ablauf von Gerichtsprozeßen

Hier alles rein, was mit dem formalen Ablauf einer Gerichtsverhandlung zu tun hat.

Wie ein Gerichtverfahren abläuft wird in der Strafprozeßordnung (StPo) geregelt. Eine PDF-Version der StPo findet ihr hier:
bundesrecht.juris.de/bundesrecht/stpo/g...
Das ist für den Anfang hilfreich, wer es aber ernst meint besorgt sich am Besten eine Ausgabe der StPo mit Kommentar (der Kommentar beinhaltet die jeweils übliche Interpretation des Gesetzestetxtes und ist oft so wichtig wie die Paragraphen selbst).

Pause, Unterbrechung und Aussetzung

- Pause: Es geht am selben Tag weiter, kann jederzeit beantragt werden, Richter will meist einen Grund wissen

- Unterbrechung: Weiterverhandlung an einem anderen Tag,
-maximale Dauer: 3 Wochen (§229 abs.1), ein Monat wenn es min. 10 Verhandlungstage gab
(§229 abs.2),
- erfordert Gerichtsbeschluss,
- u.a.möglich wenn während Hauptverhandlung Anklage erhoben wird wegen weiteren Straftaten
(§266 abs.3)

- Aussetzung: Verhandlung fängt von vorne an (siehe: Aussetzungsantrag)

§ 229
(1) Eine Hauptverhandlung darf bis zu drei Wochen unterbrochen werden.
(2) Eine Hauptverhandlung darf auch bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat.
(3) Kann ein Angeklagter oder eine zur Urteilsfindung berufene Person zu einer
Hauptverhandlung, die bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat, wegen
Krankheit nicht erscheinen, so ist der Lauf der in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen während der Dauer der Verhinderung, längstens jedoch für sechs Wochen, gehemmt; diese Fristen enden frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung. Beginn und Ende der Hemmung stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluß fest.
(4) Wird die Hauptverhandlung nicht spätestens am Tage nach Ablauf der in den
vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist fortgesetzt, so ist mit ihr von neuem zu beginnen. Ist der Tag nach Ablauf der Frist ein Sonntag, ein allgemeiner Feiertag oder ein Sonnabend, so kann die Hauptverhandlung am nächsten Werktag fortgesetzt werden.

Aussetzungsantrag

- Verfahren wird abgebrochen und neu begonnen
- erzwingt automatisch Gerichtsentscheid
- Möglich wenn zwischen Ladung und Hauptverhandlung weniger als eine Woche liegt (§ 217), muss dann der Richter bekannt machen
- möglich (!) wenn Zeuge/Sachverständiger/zu beweisende Tatsache spät vorgebracht wird (§246)
- möglich wenn neue Umstände das Anwenden eines höheren Strafmaßes ermöglichen, Bedingungen: nicht genügend auf Verteidigung vorbereitet (§265 abs.3)
- §265 abs.4: Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

§ 246
(1) Eine Beweiserhebung darf nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache zu spät vorgebracht worden sei.
(2) Ist jedoch ein zu vernehmender Zeuge oder Sachverständiger dem Gegner des
Antragstellers so spät namhaft gemacht oder eine zu beweisende Tatsache so spät
vorgebracht worden, daß es dem Gegner an der zur Einziehung von Erkundigungen
erforderlichen Zeit gefehlt hat, so kann er bis zum Schluß der Beweisaufnahme die Aussetzung der Hauptverhandlung zum Zweck der Erkundigung beantragen.
(3) Dieselbe Befugnis haben die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte bei den auf Anordnung des Vorsitzenden oder des Gerichts geladenen Zeugen oder Sachverständigen.
(4) Über die Anträge entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen.

§ 265
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich
zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz
besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die
Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung rechtfertigen.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht
genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den im zweiten Absatz bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

Beweisantrag

- nur möglich während der Beweisaufnahme
- folgender Aufbau:
1 Zu beweisende Tatsache:
2 Begründung:
3 Relevanz für den Prozess:
4 Beweismittel:
- Ablehnungsgründe (§244 abs.3):

  1. Erhebung des Beweises ist unzulässig (z.B. weil strafbar)
    #Wegen Offenkundigkeit überflüssig
    #Tatsache ist ohne Bedeutung
    #Tatsache ist schon erwiesen
    #Beweismittel völlig ungeeignet
    #Beweismittel unerreichbar
    #Zweck des Antrags: Prozessverschleppung
    #Behauptung ist wahr
    - Ablehnungsgründe für Vernehmung eines Sachverständigen (§244 abs.4):
    #Gericht besitzt erforderliche Sachkenntnis
    #Ein früheres Gutachten hat das Gegenteil bewiesen, Ausnahme: a) Sachkunde des früheren Gutachters ist zweifelhaft, b) früheres Gutachten geht von falschen Voraussetzungen aus oder enthält Widersprüche, c) neuer Gutachter verfügt über überlegende Forschungsmittel
    - Ablehnung eines Beweisantrags ist automatisch Gerichtsbeschluß

§ 244
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist.
Im übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn eine Beweiserhebung
wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung oder schon erwiesen ist, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder wenn es unerreichbar ist, wenn der Antrag zum Zweck der Prozeßverschleppung gestellt ist oder wenn eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses.

Befangenheitsantrag

- gegen Richter, Protokollant, u.a. Beteiligte (nicht Staatsanwalt)
- sofort stellen
- Grund, Voraussetzung d. rechtzeitigen Vorbringens, Glaubhaftmachung
- Richter schreibt dienstliche Erklärung

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§ 23
(1) Ein Richter, der bei einer durch ein Rechtsmittel angefochtenen Entscheidung
mitgewirkt hat, ist von der Mitwirkung bei der Entscheidung in einem höheren Rechtszug kraft Gesetzes ausgeschlossen.
(2) Ein Richter, der bei einer durch einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, ist von der Mitwirkung bei Entscheidungen im Wiederaufnahmeverfahren kraft Gesetzes ausgeschlossen. Ist die angefochtene Entscheidung in einem höheren Rechtszug ergangen, so ist auch der Richter ausgeschlossen, der an der ihr zugrunde liegenden Entscheidung in einem unteren Rechtszug mitgewirkt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die Mitwirkung bei Entscheidungen zur Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens.

§ 24
(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der
Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund
vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem
Beschuldigten zu. Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf Verlangen die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.

§ 25
(1) Die Ablehnung eines erkennenden Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse, in der Hauptverhandlung über die Berufung oder die Revision bis zum Beginn des Vortrags des Berichterstatters, zulässig. Alle Ablehnungsgründe sind gleichzeitig vorzubringen.
(2) Nach diesem Zeitpunkt darf ein Richter nur abgelehnt werden, wenn
1. die Umstände, auf welche die Ablehnung gestützt wird, erst später eingetreten oder dem zur Ablehnung Berechtigten erst später bekanntgeworden sind und
2. die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht wird. Nach dem letzten Wort des Angeklagten ist die Ablehnung nicht mehr zulässig.

§ 26
(1) Das Ablehnungsgesuch ist bei dem Gericht, dem der Richter angehört, anzubringen; es kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. § 257a findet keine Anwendung.
(2) Der Ablehnungsgrund und in den Fällen des § 25 Abs. 2 die Voraussetzungen des rechtzeitigen Vorbringens sind glaubhaft zu machen. Der Eid ist als Mittel der Glaubhaftmachung ausgeschlossen. Zur Glaubhaftmachung kann auf das Zeugnis des abgelehnten Richters Bezug genommen werden.
(3) Der abgelehnte Richter hat sich über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern.

§ 26a
(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn
1. die Ablehnung verspätet ist,
2. ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht angegeben wird oder
3. durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur
verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.
(2) Das Gericht entscheidet über die Verwerfung nach Absatz 1, ohne daß der abgelehnte Richter ausscheidet. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 3 bedarf es eines einstimmigen Beschlusses und der Angabe der Umstände, welche den Verwerfungsgrund ergeben. Wird ein beauftragter oder ein ersuchter Richter, ein Richter im vorbereitenden Verfahren oder ein Strafrichter abgelehnt, so entscheidet er selbst darüber, ob die Ablehnung als unzulässig zu verwerfen ist.

§ 27
(1) Wird die Ablehnung nicht als unzulässig verworfen, so entscheidet über das
Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung.
(2) Wird ein richterliches Mitglied der erkennenden Strafkammer abgelehnt, so
entscheidet die Strafkammer in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung.
(3) Wird ein Richter beim Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter dieses Gerichts. Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der Abgelehnte das Ablehnungsgesuch für begründet hält.
(4) Wird das zur Entscheidung berufene Gericht durch Ausscheiden des abgelehnten
Mitglieds beschlußunfähig, so entscheidet das zunächst obere Gericht.

§ 28
(1) Der Beschluß, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, ist nicht
anfechtbar.
(2) Gegen den Beschluß, durch den die Ablehnung als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen wird, ist sofortige Beschwerde zulässig. Betrifft die Entscheidung einen erkennenden Richter, so kann sie nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden.

§ 29
(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche
Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten.
(2) Wird ein Richter während der Hauptverhandlung abgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung (§§ 26a, 27) eine Unterbrechung der Hauptverhandlung erfordern, so kann diese so lange fortgesetzt werden, bis eine Entscheidung über die Ablehnung ohne Verzögerung der Hauptverhandlung möglich ist; über die Ablehnung ist spätestens bis zum Beginn des übernächsten Verhandlungstages und stets vor Beginn der Schlußvorträge zu entscheiden. Wird die Ablehnung für begründet erklärt und muß die Hauptverhandlung nicht deshalb ausgesetzt werden, so ist ihr nach der Anbringung des Ablehnungsgesuchs
liegender Teil zu wiederholen; dies gilt nicht für solche Handlungen, die keinen
Aufschub gestatteten. Nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs dürfen Entscheidungen, die auch außerhalb der Hauptverhandlung ergehen können, unter Mitwirkung des Abgelehnten nur getroffen werden, wenn sie keinen Aufschub gestatten.

§ 30
Das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht hat auch dann
zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber entstehen, ob ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen ist.

§ 31
(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten für Schöffen sowie für Urkundsbeamte der Geschäftsstelle und andere als Protokollführer zugezogene Personen entsprechend.
(2) Die Entscheidung trifft der Vorsitzende. Bei der großen Strafkammer und beim
Schwurgericht entscheiden die richterlichen Mitglieder. Ist der Protokollführer einem Richter beigegeben, so entscheidet dieser über die Ablehnung oder Ausschließung._