Kapitel 6 – Ein Paradox wird aufgedeckt
Wie beeinflussen Psychopharmaka langfristige Outcomes?
→ Man schaut sich das natürliche Spektrum der Outcomes an für verschiedene Störungen (ohne Psychopharmaka)
1) Die natürliche Geschichte der Schizophrenie S.90-94
Whitaker nimmt Bezug auf Kraepelin und Bleuler, die zu Beginn des 20. Jh. die Begriffe demetia Praekox und Schizophrenie prägten (Diskussionspunkt: er differenziert überhaupt nicht zwischen diesen beiden historischen Konzepten)
1917 wurde die Gruppe der Schizophrenie noch einmal anders definiert, weil die Enzephalitis Lethargika herausfiel. So blieben zumeist Patienten mit Denkstörungen im Vordergrund der Symptomatik in der Gruppe der Schizophrenie.
Der einzige Zeitram der zur Betrachtung unserer Frage möglich ist, ist die Zeit von 1946 bis 1954 → bis 1946 Eugenetik, Psychiatrie wie Gefängnisse, keine Entlassung…1954 wurde Thorazin als erstes Psychopharmaka eingeführt.
Whitaker vergleicht Studien aus Amerika und England, wo in dieser Zeit ca. 70% der Patienten wieder entlassen wurden, kompelett rehabilitiert oder zumindest sozial rehabilitiert (Diskussion: man weiß heute nicht, wie die Gesellschaft damals mit Verrücktheit umgegangen ist und wie Menschen aus Psychiatrie aufgenommen wurden. Wer hat ihren Werdegang damals nachvollzogen? Whitaker macht ihre Rehabilitierung daran fest, dass die Leute damals keine Sozialhilfe empfangen konnten und deshalb ja nach der Psychiatrie sofort wieder ins Leben mussten und also dafür bereit sein mussten – man kann die Zeit damals und heute nicht vergleichen). Und weiterer Kritikpunkt: Vergleicht Amerikanische Studien mit Englischen Studien mit völlig unterschiedlichen Gesundheitssystemen 1946.
Whitakers Kernaussage —>Psychopharmaka haben nicht für hohe Entlassungsraten in den 1950ern gesorgt, hohe Entlassungsraten gab es vorher schon in der Psychiatrie….
eine der ersten Studien mit Psychopharmaka 1961 zu Thorazin: mit Medikamenten behandelte Patienten hatten längere Hospitalisierungsphasen als Menschen ohne medikamentöse Behandlung
ab 1965 mit Einführung von Medicare & Medicais wurden Menschen aus Psychiatrien in Pflegeeinrichtungen verlegt – und gelten als entlassen. „Neue Form“ der Rehabilitierung.
2) „Through a lens darkly“ – Eine etwas düstere Sichtweise der Dinge (Wortwitz: double blind) S.94-96
ab 1962 müssen die Pharmakonzerne der FDA beweisen, dass ihre Medikamente wirkungsvoll sind. Von 1955 bis 1962 musste nur nachgewiesen werden, dass die Medikamente nicht schaden.
Deswegen Doppelblind-Studien nun auch in Psychiatrien.
Die Problematik daran ist, dass man Psychopharmakawirkungen sofort sieht und man die Gabe von Placebos an den mangelnden Nebenwirkungen erkennt.
(Diskussion: Noras Erfahrungsberichte aus dem Drogenseminar: Studien zu Nutzen und Wirkung von Drogen, LSD-Placebos wirken ab)
Dann wurden trtzdem Doppelblind-Studien eingeführt.
- nächstes Problem: Operationalisierung von Schizophrnie und messbarer Verbesserung/ Heilung.
- Einführung von Rating-Skalen, die von Ärzten ausgefüllt wurden: Kriterien z.B.: Angst, Größenwahn, Feindseligkeit, Misstrauen, ungewöhnlicher Gedankeninhalt, mangelde Kooperation“:
- „Langzeituntersuchungen“ gingen 6 Wochen
→ eine kurzzeitige Verbesserung gewisser Symptomatiken reichte schon als evidenter Effekt der Medikation
schon 1956 wurde von Joseph Zubin angemahnt, man müsse mindestens 2 Jahre Follow-Up machen
3) The case for neuroleptics – Was spricht für Neuroleptika?
S. 96-98
1961 Evidenzgrundlage für die Wirksamkeit von Neuroleptika wird gebaut mit der der Neun-Kiniken-Studie vom Psychcopharmacology Service Center: 6 Wochen-Studie: 75% der behandelten Patienten hatten sich sehr verbessert im gegensatz von 23% der Placebo-Behandelten Patienten. 100 kleinere Studien brachten ähnliche Ergebnisse.
- 2007 macht die Cochrane Collaboration eine Metaanalyse zu Chlorpromazin (Thorazin):
„die verlässliche Evidenz über die kurzzeitige Wirkung von Chlorpromazin ist erstaunlich dünn“
- nach diesen Studien war die NIMH der Meinung, dass Psychopharmaka wirksam sind. D
Die Frage war nun nicht mehr, ob sie wirken sondern nur noch, wie lange man sie nehmen muss.
Nach Langzeiteffekten wird geschaut. Nun werden Studien mit dem Absetzen der Medikamente gemacht. 53% der Leute, die die Medikamente absetzten : Rückfall. Die Menschen, die weiterhin die Medikamente nahmen: 16% Rückfall. Dies unterstützte die Annahme, dass nur die Weitergabe der Medkamente den Rückfall verhindern könne.
2002 wurde von John Geddes in einem Artikel in der New England Journal of Medicine wieder gesagt, die Medikamente würden Rückfälle verhindern.
S. 98 fasst weitere Aussagen in diese Richtung zusammen von 1998-2002
4) Ein Rätsel taucht auf
S. 98