Geschichte der CIEs
Die Abkürzung ‚CIE‘ steht auf Italienisch für ‚Centro di Identificazione ed Espulsione‘ (Zentrum zur Identifikation und Ausweisung). Diese Zentren wurden ursprünglich 1998 durch die damalige Mitte-Links Regierung eingerichtet, nach Genehmigung deren Anti-Einwanderungsgesetzes, bekannt als ‚Turco-Napolitano‘ (nach seinen Befürwortern gennant). Die zunächst als ‚Centri di Permanenza Temporanea‘ oder CPT (Zentren zur vorübergehenden Verwahrung) bezeichneten Zentren behalten illegale Zuwanderer (d. h. diejenigen ohne Ausweisepapiere) in Gewahrsam, während die Polizei sie identifizieren. Ein noch restriktiveres Gesetz wurde 2002 verabschiedet: das sogenannte Bossi-Fini-Gesetz. Außerdem hat die italienische Regierung 2011 ein weiteres Gesetz beschlossen, das die maximale Haftzeit bis auf 18 Monate, neunmal so lang wie vorher, verlängert.
Gesetzlicher und kultureller Rahmen
Auch der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen hat sich neulich über die Bedingungen der in Italien inhaftierten Flüchtlinger und Migranten beklagt, von denen viele Asylbewerber sind. Die italienische Politik hinsichtlich der Einwanderer ist auf den allgemeinen europäischen Rahmen zurückzuführen, wobei die Bewegungsfreiheit innerhalb der EU-Grenzen zugelassen ist, während nicht aus der EU stammende Ausländer tendenziell ausgeschlossen werden. Der Begriff ‚Festung Europa‘ ist in diesem Zusammenhang ganz angemessen (‚Fortress Europe‘ ist übrigens der Name eines mehrsprachigen Blogs, das über die europäische und vor allem italienische Justizordnung in Bezug auf Zuwanderer berichtet).
Ähnliche Inhaftierungspraxis ist europaweit verbreitet (z.B. in Spanien, Frankreich und Griechenland) und die gemeinsamen europäischen rechtlichen Rahmenbedingungen erzwingen die Beschränkung der Wanderbewegung. Das EU-Gesetzeslage fördert allerdings eine Integrationspolitik für reguläre Einwanderer, und diesbezüglich unterscheidet sich Italien von vielen anderen Ländern: seine neulich verabschieden Gesetze betonen die Kriminalität und konzentrieren sich viel weniger auf Immigrantenrechte. Inhaftiert zu werden, nur weil man Zuwanderer ist und wegen keines Gesetzesverstoßes, ist an sich größtenteils ausschließlich dem italienischen Gesetzbuch. Die Lage kann kompliziert werden, denn das Gesetz erkennt nur diejenigen als italienisch an, die von zwei italienischen Bürgern geboren werden. Wenn einer der Eltern kein EU-Bürger ist, muss er die Staatsbürgerschaft erwerben, während er das Risiko der Inhaftierung in einem CIE eingeht. Das Risiko ist noch höher bei denjenigen, die seit mehreren Jahren in Italien wohnen und deren VISA-Erneuerung von einem regulären Arbeitsvertrag abhängen.
In Italien wächst besonders seit den 90er ein öffentlicher Diskurs, der die Kriminalisierung der Zuwanderer befürwortet und von den Mainstream-Medien und politischen Institutionen (nicht nur rechtsextremen Parteien, wie das Turco-Napolitano-Gesetz gezeigt hat) geschürt wird. Das auslanderfeindliche und oft rassistische Verhalten mancher politischen Organisationen (die Lega Nord, il Popolo della Libertà und die faschistischen Organisationen CasaPound und Forza Nuova), die Shlacht in Florenz im Jahr 2011 und der Brandanschlag auf das Roma-Lager in Turin im gleichen Jahr sind nur einige Beispiele davon.
CDA, CARA und CIE
Das ‚Sicherheitspaket 94‘, im Jahr 2009 genehmigt, hat den Namen ‚CPT‘ in ‚CIE‘ geändert und CDA und CARA eingeführt.
- CDAs sind Auffanglager (wörtlich übersetzt: Zentren zur Ersten Unterstützung), in die Einwanderer nach der Ankunft gebracht und identifiziert werden, und wo die Legitimation ihres möglichen Aufenthalts kontrolliert wird. Hier entscheiden sich die Behörden, ob die Immigranten verbleiben können oder in ein CIE zur Abschiebung gehen müssen. Alle fünf CDAs befinden sich in Süditalien.
- CARAs sind Identifizierungszentren für „Einwanderer ohne Ausweisepapiere, die um politische Flüchtlingseigenschaft bitten“, wo die Legitimation ihres Flüchtlingsstatus kontrolliert wird. Es gibt acht CARAs, die meistens in Süditalien liegen.
- CIEs sind Zentren „zur Identifikation und Ausweisung“. Jeder Zuwanderer, der ohne Aufenthaltsgenehmigung erwischt wird oder nicht als Asylbewerber anerkannt wird, wird in ein CIE gebracht, identifiziert und in sein Herkunftsland abgeschoben.
Insert map on the original English article of the CIE, CDA and CARA locations here
Pläne: CIE, CDA und CARA (September 30. 2011 – Quelle: interno.gov.it)
Kritik
Der Knackpunkt jeder von CIE-Gegnern geäußerten Kritik ist die Rolle, die diese Zentren in dem größeren Zusammenhang spielen. Nach dem Martelli-Gesetz kann ein italienisches Visum zu Arbeits-, Studien- und medizinischen Zwecken oder zur Familienzusammenführung erhalten werden. Über 90% der erteilten Visa sind zur Familienzusammenführung, hauptsächlich im Zusammenhang mit Zuwanderern, die schon in Italian arbeiten. Diese Immigranten, um ein Arbeitsvisum zu bekommen, müssen einen ordnungsgemäßen italienischen Arbeitsvertrag haben, bevor sie nach Italien fahren, so werden sie gezwungen, in Italien illegal einzutreffen und nachträglich eine reguläre Stelle zu finden. Wegen des dringenden Bedürfnisses eines Arbeitsvertrages nehmen Einwanderer oft irgendeinen Job und Lohn hin und werden von ihren Arbeitgebern abhängig. Dieses System verursacht natürlich eine Verzerrung auf dem Arbeitsmarkt sowie Ausbeutung und gespannte Verhältnisse zwischen italienischen und ausländischen Arbeitskräften. Vielen Immigranten ist es nicht gelungen, einen legalen Arbeitsplatz zu finden, und deshalb suchen sie Schwarzarbeit, wenn auch nur kurzfristig. Das macht ein stabiles Dasein fast unmöglich, verhindert Integrierung und erzeugt Furcht und Hass gegen italienische Bürger und die Polizei, was sichtbar in den schrecklichen Geschehnissen im Jahr 2010 in Rosarno war.
Ein Mangel an verfügbarer Information für Einwanderer sowohl innerhalb als auch außerhalb der CIEs hat dazu geführt, dass Immigranten ihre Ausweispapiere zerstören, in der Hoffnung, dass die Durchführung der Abschiebung für die Behörden dadurch erschwert wird. Infolgedessen werden CIEs voller, weil mehr Zuwanderer darin gebracht zur Idenfizierung werden müssen. Auf Grund der schlimmen Zustände sind Unruhen von den Häftlingen angefacht worden, wie es der Fall bei den Geschehnissen in Lampedusa im Jahr 2011 war, geschweige denn die Selbstbeschädigung, zu der die Inhaftierten greifen, manchmal um das CIE verlassen zu können. Der italienische Rechnungshof hat 2003 die unrealistische Planung, die schlimmeren Bedingungen, den Sicherheitsmangel und die begrenzte Dienstleistung der CIEs verurteilt. Zudem hat Ärzte ohne Grenzen, eine gemeinnützige Gesundheitsorganisation, 2004 die Ausstattung der Lager für unzureichend erklärt und die haüfigen Fälle von Selbstverletzung missbilligt. Viele der Einwanderer, die in Italien ankommen, sind Asylbewerber, und das Asylverfahren kann eschwert durch ihre Verwahrung in den CIEs werden, in denen kaum Information über ihre Rechte zur Verfügung steht und Kontakt mit einem Anwalt oder einem Journalisten schwer zu finden ist. Aus diesem und aus vielen anderen Gründen entspricht der Einwanderungsprozess für Asylbewerber den Übereinkommen der Vereinten Nationen nicht (den Aussagen Amnesty International 2006 zufolge).
April 2011 veröffentlichte der damalige Innenminister und Mitglied der Lega Nord Roberto Maroni einen Ministerialrunderlass, der Berichterstattern und Journalisten den Zutritt zu jeder Gewahrsameinrichtung verweigerte. Auch Regionalpolitikern wurde der Eintritt nicht zugelassen. Nach der Aktion ‚LasciateCIEntrare‘ (‚Lasst uns rein‘) hat Maronis Nachfolgerin Anna Maria Cancellieri den Erlass widerrufen. 2011-12 haben die Privatunternehmen, die die verschiedenen Zentren betreiben, im Wettbewerb um die öffentliche Ausschreibung der Anstalten gegeneinander angetreten. Sie haben versucht, Betriebskosten zu verringern, um den Zuschlag von den örtlichen Behörden zu erhalten, und in einigen Fällen wurden die Betriebskosten bis 30 Euro täglich pro Inhaftierte verringert. Deshalb liegt es auf der Hand, dass die Rechts- und Gesundheitshilfe sowie Alltagsnotwendigkeiten im Namen des Profits sich verschlechtern werden.
Ein weiterer Kritikpunkt ist das völlige Fehlen von Auskunft über die Gewahrsameinrichtungen auf der offiziellen Webseite des Innenministeriums.