Alternative Bildung – schwedische Volkshochschulen -¶
Wenn in Schweden von Volkshochschulen die Rede ist, denkt man nicht an Kurse aller Art, die ein bis zwei Mal pro Woche gegen Bezahlung gehalten werden, sondern an Ganztagsschulen, die kostenlose Kurse mit breit gefächertem Spektrum anbieten. Bootsbau, Pädagogikausbildungen, Musik-, Kunst-, Handwerk und Schmiedekurse, Computer knowledge, Tourismus, ökologischer Anbau und nachhaltiger Lebensstil sind nur einige wenige Beispiele für die über 400 Kurse, die die 148 Volkshochschulen zu bieten haben. Die Philosophie der Volkshochschulen ist es, Praxis und Theorie miteinander zu vereinen und einen Treffpunkt für Menschen, deren unterschiedliche Interessen und Kulturen darzustellen. Der Unterricht variiert je nach den Bedürfnissen und Interessen der Teilnehmer, die die Gestaltung des Unterrichts mitbestimmen können. Die Lehrer sind oft eine Hilfestellung und es wird viel Wert darauf gelegt, einen Wissensaustausch auch zwischen den Schülern stattfinden zu lassen.
Ich habe bereits ein unvergessliches Jahr auf einer solchen Volkshochschule hinter mir, welchem ich, neben einer Menge Wissen, viele Erfahrungen und Freunde fürs Leben zu verdanken habe. Der einjährige Kurs „Globale Gerechtigkeit – lerne vom Süden“, den ich belegte, beinhaltet ein fünf monatiges Praktikum bei einer Ureinwohner-Bauern-Organisation in Ecuador. Nach zehn Wochen intensiven Vertiefens in Lateinamerikas Geschichte, Politik, Globalisierungs-Themen im Allgemeinen und Spanisch auf der wunderschönen Schule im Grünen mit den, für Schweden typischen, roten Häusern und gemütlich familiärer Atmosphäre begaben wir uns also nach Ecuador um dort unsere Praktika zu absolvieren. Ich lebte auf 4000 Meter Höhe in den Anden bei einer Ureinwohner Familie mitten in der Natur und hatte die Möglichkeit in eine völlig fremde Kultur einzutauchen. Die Tage verbrachte ich in der Organisation im nahe liegenden Dorf, welche einen politischen Kampf für die Rechte der Ureinwohner und für eine Landreform führt. Nach den erlebnisreichen fünf Monaten kehrten wir zurück um das Erlebte zu bearbeiten, verfassten Buchtexte, gestalteten eine Zeitung und hielten Vorträge über das Erlebte im ganzen Land um Interesse für politische und globale Themen in Schweden zu wecken.Der Kurs hat mir in vielen Hinsichten die Augen geöffnet und mich und meine Lebensweise grundlegend verändert. Für mich steht nun fest, dass ich ein Leben führen will, was nicht auf Ausbeutung anderer beruht, welches mir nur möglich erscheint, wenn ich in Zukunft weitgehend selbsthaushaltend lebe. Auch dafür habe ich den perfekten Volkshochschulkurs gefunden: „Ökologischer Anbau und nachhaltiger Lebensstil“. Ich habe mir die Schule bereits angeschaut und all meine Erwartungen wurden übertroffen. Der Unterricht findet in einem alten roten Blockhaus statt, welches mit Webstühlen, einer kleiner Bibliothek, einem gemütlichen Klassenzimmer und einer wunderschön altertümlichen Küche ausgestattet ist. Jedem der 18 Kursteilnehmer steht ein eigenes Stück Land für den Eigenanbau zur Verfügung. Die Kartoffel- und Knoblauchäcker werden gemeinsam bewirtschaftet. Neben den Anbau-, Koch- und Webkursen stehen auch Fächer wie soziale Ökonomie und Globalisierung auf dem Stundenplan.
Wohnen werden wir in gemütlich roten Holzhäusern, umgeben von schönster Natur.
Auch dieser Kurs ist, wie alle Kurse schwedischer Volkshochschulen staatlich finanziert und kostet mich lediglich 170 € Miete im Monat. Nun sehne ich mich nach dem Winter endlich mit dem viel versprechenden Kurs beginnen zu können. Bis dahin werde ich noch einen „Out-Door-Coach Pädagogik-Kurs“ belegen, in welchem ich von Orientierung bei jeder Wetterlage, über Erste Hilfe im Kajak, Langschlittschuhlauf im Schärengebiet bis zum Leiten von Gruppen in der Wildnis viel lernen werde.
Die Ausbildungsmöglichkeiten der schwedischen Volkshochschulen haben auch Freunde von mir fasziniert, die nun, um einen Kurs belegen zu können schwedisch lernen. Ein Aufwand, der sich auf jeden Fall auszahlen wird…