diskussion-ueber-offenheit

1. Beitrag von Luken-Leni (Protokoll):

1.1 „Ich sehe die Entwicklung der Zwille manchmal mit der Sorge, dass die Atmosphäre, die in der Zwille ist, nicht offen ist, sondern im Sinne von: ‘Wir sind total offen, aber was offen ist, bestimmen wir und nur wir. Und alle, die nicht da rein passen, werden verurteilt und zurechtgewiesen.’ Ich habe Bedenken, ob das die Offenheit ist, die ich gerne hätte.

1.2 Mein Eindruck ist, dass das viele Leute abschreckt (dieses Gefühl, verurteilt und nach „unseren“ Maßstab bewertet zu werden.

1.3 Beispiel: Wie würde sich jemand, der zum ersten Mal da ist und ein Deutschland-Trikot trägt, fühlen? Wie würde auf ihn/sie zugegangen werden?).

1.4 Ein Aufhänger (nicht der einzige) war: „Darf mensch in der Zwille Rammstein hören?“. Es gibt da ein Missverständnis zwischen Anti-Diskriminierung und einem repressiven Katalog von „Das darf man und das nicht“.

1.4.1 Kommentar J.: An dieser Stelle wird nach meinem Empfinden die betroffene handelnde Person relativ bewußt schlecht dargestellt. Damit werden die Motive für ein solches Verhalten mit verschleiert. Ich kann mich nicht erinnern, dass es bei solchen Sachen jemals um “Verbote” ging. Es ging immer darum, dass sich Menschen auch konkret von etwas gestört fühlten. Das
ist doch der Kern der Sache: Nicht “mach das nicht”, sondern “ich möchte das nicht”. Der Ton wie das geäußert wird ist an dieser Stelle mitunter sehr wichtig, aber auch die Kritik an derartigem sollte präzise sein.

1.5 Dieser Hoheitsanspruch auf moralische Instanz nervt mich. „WHO ARE YOU TO WAVE YOUR FINGER?“

1.5.1 Kommentar von J.: Es geht nicht um “moralische Instanz” – jedenfalls nicht für mich. Und vielleicht könnt ihr verstehen, dass es in so einer Debatte – wenn sie bereits so geführt wird – es ziemlich schwierig wird sich konkret “Antidiskriminierend” zu verhalten. Ich hätte bei einer solchen Diskurs-Schiene akute Angst davor als moralische Instanz gedisst zu werden, wenn ich in Zukunft äußere, dass mich etwas stört.

1.5.2 Kommentar von J.: Es geht darum, dass sich möglichst viele Leute in der Zwille wohlfühlen wollen UND (das ist für mich eine der großen “Offenheitsfragen”) wie wir dabei aufeinander Rücksicht nehmen. Wenn mensch diesen Anspruch verdreht in “es gibt da ein paar Spaßverderber, die sich als moralische Instanzen aufspielen”, wenn andere Bedürfnisse zu haben mit der Metapher “Stock im Arsch” quittiert wird, ist das m.E. relativ gefährlich für jegliche emanzipatorische Ansprüche. Ich behaupte nicht, dass das so gesagt oder gedacht worden ist (sorry an dieser Stelle an die Autorin für die Entlehnung der Argumentationsmuster). Aber ich bin der Meinung, so könnte sich der Diskurs evtl. drehen, wenn wir vergessen die Begründung unserer konkreten Praxis vergessen. Davor habe ich Angst.

1.5.3 Kommentar von J.: Natürlich müssen wir darüber diskutieren, wenn sich Leute (wenn wir uns) anfangen als moralische Instanzen aufzuspielen. Aber nicht jedes äußern von Bedürfnissen ist der implizite Anspruch als moralische Instanz gesehen zu werden.

1.5.4 Kommentar von J.: dann möchte ich gerne zurückfragen “Who are you, to be the only voice?” (s.u.)

1.6 Manchmal finde ich, die Zwille hat einen Stock im Arsch. Mein persönlicher Wunsch wäre, dass mehr Raum für Spiel und Experimentieren ist, denn das ist für mich Offenheit. Die Zwille könnte insgesamt lockerer werden, was nicht bedeutet, dass man in den Ansichten weniger radikal wird, aber die Art, wie mensch sie vertritt, ist mir manchmal zu dogmatisch.

1.6.1 Kommentar J.: von dem Aufruf, die Zwille hätte manchmal “einen Stock im Arsch” und müsste “lockerer werden”, fühle ich mich leider wirklich persönlich getroffen.

1.7 Ich habe den Eindruck, dass deswegen Leute nicht kommen, bzw. nicht mehr kommen.

1.7.1 Kommentar J. (s. oben, es geht um “Dogmatik”): Ich habe keine Ahnung, warum andere Menschen irgendwann nicht/ nicht mehr kommen. Mir persönlich ist ein rücksichtsvoller Umgang wichtiger als Lockerheit oder Experimentieren. Sollte ich strukturell mich nicht mehr in der Lage fühlen, Dinge die mich stören auch aussichtsreich anzusprechen ist das ein Grund, warum ich nicht mehr kommen würde. Ich sage das nur, um des den im Protokoll angeführten Gründen entgegenzustellen.

1.8 Dieser Denkanstoß wurde dann diskutiert, stieß natürlich auch auf einige Gegenrede, was gut ist.

1.8.1 Kommentar J.: Das hat mich richtiggehend aufgeregt. Für mich hörte sich das nach dem ganzen vorher so an, als wäre mir eine andere Meinung “erlaubt”, oder "großzügig zugestanden worden. Es klingt nach “war ja klar” und nach “aber Recht haben sie nicht”, oder “wir lassen in unserer Weisheit zu sogar unsinnige Gegenreden zu”. Ich weiß, dass das Unsinn ist, aber ich wollte es trotzdem gesagt haben.

1.8.2 Kommentar J.: Ja, ich sage das alles unter dem vollen Bewußtsein, dass es sich um eine “sehr persönliche Meinung handelt”, die im Protokoll vorliegt. Denn in der Form wie vorliegend wird diese “sehr persönliche Meinung” zu “vorherrschendem Diskurs” insofern als ein Protokoll dessen Abbild ist. Der Akt “ich schlage jetzt allen die anderes denken eins in die Fresse” wird nicht dadurch besser, dass mensch es vorher ansagt. Weniger physisch gilt das auch für “ich mache deine Position jetzt unsichtbar indem ich nur schreibe, was ich denke”. Das ist einer der Gründe, warum es problematisch ist lange Statements von Einzelpersonen im Protokoll zu haben vor allem wenn sie nur von einer Person sind. Ich empfinde das trotz der Kennzeichnung als “subjektiven Standpunkt” als Gewaltakt, vor allem auch, weil anderen Meinung nicht vorkommen und sich nicht einmal Mühe gegeben wird, diese zu berücksichtigen.

2. Beitrag von J.

2.1 sorry, aber ich finde so ist das kein cooler Umgang. Ich habe mich schon in der Diskussion über Offenheit – die für mich keine echte Diskussion war – nicht besonders gut wahrgenommen gefühlt. Aber das war ok., weil ich es wichtig finde, dass Menschen ihr Bedürfnisse/Wünsche aussprechen können. Aber zusammen mit der konkreten Wiedergabe im Protokoll wird es mir “ein bisschen zu viel”, deswegen verzeiht mir bitte, wenn ich mich dazu nochmal äußern möchte.

2.2 Ich finde die Diskussion wichtig, und das ist auch der Grund, warum ich an dieser Stelle nicht inhaltlich sein möchte, nicht über das Thema reden will. Ich hätte das am 18. gerne getan, aber vielleicht hatte ich die Lage falsch eingeschätzt: Im Nachhinein hatte ich das Gefühl, den Menschen das eingebracht hatten ginge es nicht ums diskutieren (sondern um “ansprechen”, oder “auskotzen”, oder was auch immer), oder mensch wollte lieber nicht gerade mit mir diskutieren. Wenn letzteres der Fall sein sollte, dann gebt mir doch bitte kurz bescheid.

2.3 Jedenfalls empfinde ich den jetzigen Punkt 9 (Offenheit) des aktuellen Protokolls als (strukturelle) Gewalt gegen alle Menschen, die eine andere Auffassung vertreten als die im Protokoll. Das liegt für mich zum Beispiel an Folgendem:

2.3.1 Kommentar von J.:Daran, dass (nur) eine bestimmte Definition von Offenheit als gesetzt und unhinterfragt zu Grunde liegt. Alle anderen werden durch die gewählte Form ausgeblendet oder weggewischt.

2.3.2 In dieser Hinsicht, also unter Voraussetzung dieser einen Offenheitsart werden andere Verhaltensweisen lächerlich gemacht – oder die Gründe, anders zu denken werden unsichtbar gemacht. Sollte es jdm. wirklich interessieren: JA, von dem Aufruf, die Zwille hätte manchmal “einen Stock im Arsch” und müsste “lockerer werden” fühle ich mich leider wirklich persönlich getroffen.

2.3.3 In dieser Form gibt das Protokoll nur eine einzige Meinung darüber ab, warum “Leute nicht kommen, bzw. nicht mehr kommen.” (die lautet “zu dogmatisch, zu unlocker, Leute sind abgeschreckt”). Andere Meinungen kommen auch zu dieser Frage nicht vor.

2.3.4 Das “Zitat”/Protokoll Interpretiert die Handlungen von dritten und weist ihnen moralische Wertungen zu, die ausschließlich auf dieser (subjektiven) Interpretation beruhen (Rammstein-Beispiel, s.o.).

2.3.5 “…was gut ist” (siehe oben – direkte Kommentare)

2.3.6 Wenn Luken-Leni also fragt „WHO ARE YOU TO WAVE YOUR FINGER?“, und damit eine vermeintliche moralische Machtposition angreift, dann möchte ich gerne zurückfragen “Who are you, to be the only voice?”