lieber christian,
so … das gehört zwar überhaupt nicht in dieser länge hier her – aber in zeiten wie diesen, ist ja ein “was gesagt werden muss” gerade aktuell ;-)
deine antwort kommt übersetzt so bei mir an:
“lieber johannes, es tut mir leid wenn der fehler bei dir liegt.”
und das “aus dir nicht bekannten gründen” benötigt wohl etwas erklärung – ich will es versuchen:
erstmal: die unterscheidung zwischen “sachlich” und “persönlich” halte ich für eine illusion – wir sind und bleiben immer menschen (ist ja auch gut so!) – manches tun wir mit leidenschaft (= persönlich) manches geht uns im grunde am arsch vorbei (= scheinbar sachlich).
Ich verstehe schon, dass dein hauptaugenmerk, was die politischen aktionen betrifft, wo anders liegt – das meinte ich auch mit einem grundsätzlichen auffassungsunterschied zwischen uns beiden. ich finde deine beiträge, die immer wieder daran erinnern, nicht abgehoben irgendetwas zu tun – sondern an die menschen zu denken, die wir letztendlich erreichen wollen – auch grundsätzlich sehr wertvoll. ich denke aber, dass ein “wir sollen/wollen alle erreichen” so nicht funktioniert. beim schreiben eines textes ist es wichtig, eine klarere vorstellung zu haben, wen genau man jetzt erreichen will. es redet sich anders mit menschen, die bestimmte dinge einfach schon wissen, als mit menschen, wo das nicht so ist. das hat aber bitte nichts mit einer wertung der menschen zu tun (z.b. weder ein maschinenschlosser, noch eine physikerin hätten spass daran, mit mir fortgeschrittenere themen ihres eigenen arbeitsfeldes zu besprechen, wo sie etwas weiter entwickeln wollen.)
anders gesagt: ich denke, du suchst nach möglichkeiten und wegen, wie ein ganz offenes und grundsätzliches zugehen auf möglichst alle menschen möglich ist. währenddessen ich versuchen will, die menschen, die bereits aktiv sind, sich informiert haben, ihre meinungen haben und etwas tun wollen, besser zusammen zu bringen. diese beiden dinge gehen – zumindest im augenblick – nicht so einfach unter einen hut.
abgesehen von den berechtigten einwänden, dass der text fröhlicher und einladender sein soll – stellt sich doch die frage: an wen denke ich, wenn ich das schreibe? ich sehe verschiedene leute vor mir, die in hunderten kleinprojekten zerspragelt im grunde alle etwas tun wollen – und sich danach sehnen, dass dieses tun ein gemeinsames ist. und du hast beim lesen vielleicht einen passanten am viktor adler markt vor augen, der dir höchstwahrscheinlich wirklich nur den vogel zeigt, wenn du ihm so ein flugblatt in die hand drückst.
und zum persönlich nehmen:
das habe ich dann gestern in meiner antwort auch nur sehr emotional einfach zurück geworfen … aber stell dir mal vor, nach 10 stunden arbeit bleibe ich dann hier vor dem rechner sitzen – schaue, was für korrekturen, vorschläge und feedback ich bekommen habe, um dieses ding einfach fertig zu machen … und lese (neben einem “super, aber schreib doch fröhlicher” von susan) deine antwort … “null info”, “schmeisse ich nach 7 zeilen in den mist” … “verbündete” susan sagt auch “braucht neuen text” … “taugt mir nicht” …
hmmm … es steht also insgesamt wenig konkretes da … und einer sagt im grunde “zum wegschmeissen” … sich da zu motivieren, etwas weiter zu tun, braucht überwindung – weil die stimme im kopf, die mal gleich trotzig ruft: “dann mach den sch… doch selber, wenn du es einfach nur grundweg ablehnst, was ich tue” ist einfach da und will erst weggeschoben werden. menschlich – allzu menschlich.
ich kann auch die “sachebene” schon herauslesen – und habe dann z.b. auch versucht, die konstruktiveren punkte deiner kritik zu verarbeiten (weniger text – oder zumindest besser nach den grundfragen geordnet, einladendere, freundlichere formulierungen) – das ist nicht das problem.
ich wünsche mir, wenn ich mit menschen zusammen arbeite, ein gewisses mass an einfühlungsvermögen – und auch ein bisschen das gelebte prinzip aus dem buch vom frieden, das ich wunderschön finde:
“sich vor den fehlern des anderen schützen zu wollen führt zur aufrüstung und zum krieg. den anderen vor den eigenen fehlern schützen zu wollen führt zur abrüstung und zum frieden.”
was ich aus deinem feedback letztendlich herausgelesen habe:
deine ungeduld und deinen unmut, dass die dinge deiner meinung nach in eine falsche richtung laufen – in dem konkreten fall halt aufgehängt an diesem flyer. und diesen unmut schmeisst du mal so hin … lässt es einfach mal so raus. und da fehlt mir dann: an wen schreibe ich das eigentlich? was würde ich mir wünschen, das der andere tun soll? und wenn ich schon gänzlich dagegen bin: wie drücke ich das so aus, dass ich mit meiner ablehnung – daher auch nicht wertschätzung, von dem was da steht, nicht auch gleich grundsätzlich die arbeit und das engagement nicht wertschätzte (oder zumindest leicht so verstanden werden könnte)? dies sind für mich aufgaben, die erstmal beim sender einer botschaft liegen sollten – nicht beim empfänger. und wenn dann der empfänger
letztendlich zurückmeldet “es verletzt, wie du es sagst” ist auch sinngemäss “tut mir leid wenn du so leicht angerührt bist” nicht wirklich die richtige antwort.
das hat alles nichts mit “persönlich nehmen” im sinne von “beleidigt sein” zu tun. (und nachtragend bin ich schon gar nicht.) ich bin aber in gewissen dingen sensibel – will heissen, ich reagiere sensibel darauf, wenn ich das gefühl habe, dass jemand seine negativen emotionen einfach rauslässt – ohne darüber nachzudenken, wie das beim anderen ankommen könnte. und gerade in den dingen, die wir aus purer leidenschaft und aus idealismus tun, ist mir das umso wichtiger – weil im grunde die gegenseitige wertschätzung ohnedies der einzige “lohn” ist, den wir dafür bekommen. umso notwendiger erscheint es mir, positiver, wertschätzender und ab und an daher auch etwas vorsichtiger miteinander umzugehen. das bedeutet nicht in pflichterfüllung mit floskeln honig ums maul zu schmieren – kritik halt in watte zu verpacken … sondern genau im sinne der “konsensfindung”, versuchen zu verstehen, warum jemand etwas anderes sagt, eine andere meinung hat – um dann möglichst gemeinsam eine konstruktive lösung zu suchen.
das alles hat auch nicht nur mit deinen antworten auf den flyer zu tun – sondern natürlich spielt da auch der letzte freitag mit – wo dich santiago dann schon direkt gebeten hat, für zehn einfach nur negative statetments zumindest eine positive sache zu sagen …
und das alles hat nichts damit zu tun, dass eine auch ganz negative kritik, eine ablehnung von etwas, nicht möglich ist – aber so als richtlinie gilt für mich: je stärker und grundsätzlich die kritik, umso mehr ist es notwendig, eine positive, konstruktive idee gleich damit zu verbinden … je mehr ich sage “so bitte nicht” umso mehr sollte ich ein “vielleicht geht es aber so” anbieten … denn sonst stecken die adressaten der kritik zu schnell in einem “also eh alles falsch?”-loch … und von dieser art löcher haben wir rundherum in dieser schönen welt schon genug.
sorry, das war jetzt sehr lang, sehr prinzipiell – und wohl mitunter auch sehr anmassend – ich weiss. aber ich habe mir jetzt diese zeit genommen, um zu versuchen genauer zu erklären, was ich meine, weil mir das ganz grundsätzlich wichtig ist. hoffentlich kannst du es als wirklich ernst gemeinte wertschätzung meinerseits dir gegenüber verstehen, dass ich mich eben genau nicht einfach beleidigt zurückziehe – sondern versuche zu erklären, worum es mir geht. denn so sind meine zeilen gemeint. und nicht in der hoffnung recht zu haben – sondern in der hoffnung, sich gegenseitig besser zu verstehen!
alles liebe
johannes