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Konzept Tutorium TEF II: Revolution oder Reform? Der Nahe Osten im Wandel

Die tunesische Revolution (Sarah Przybilla)

Am 17.12.2010 hatte der Selbstmord des Gemüsehändlers Mohammed Bouazizi, der einen illegalen Gemüsehandwagen betrieb und sich nach dessen Beschlagnahmung durch die Polizei selbst öffentlich in Sidi Bouzid verbrannte, die Initialzündung gegeben für eine Protestwelle, die in Tunesien in den Folgemonaten zu einem Sturz des Regimes und der Flucht des ehemaligen Staatschefs Ben Ali führte.
Die Welle der Proteste gegen die prekären Lebensbedingungen und die Korruption ihrer Regierung ging über die Landesgrenze hinaus und erfasste in verschieden intensiven Formen andere Länder des nahen Ostens .
Das Tutorium soll zum einen den Weg bzw. die verschieden Phasen der Unruhen und Proteste bis hin zum tatsächlichen Sturz von Ben Ali untersuchen und die wichtigsten Elemente herausarbeiten. Zum Andern soll die Rolle Tunesiens für andere Länder betrachtet werden und eine generelle Diskussion über sogenannte Dominoeffekte als Ausblick geführt werden sowie Gemeinsamkeiten herausgearbeitet.
Der Fokus liegt auf den Elementen und wesentlich Beteiligten der Revolution.
Die Analyseeinheiten und Forschungsfragen hierfür werden durch die verschiedenen Staatstheorien gegeben.

Der ägyptische Frühling 2011 (Adham Hamed)

Die ägyptische Revolution vom 25. Jänner 2011 soll an Hand der im Rahmen der Lehrveranstaltung TEF II behandelten Theorien (Neoliberalismus, Weltsystemtheorie, Regualtionsansatz und Gramscianismus) analysiert werden. Dabei soll der Frage nachgegangen werden welche Dynamiken dafür ausschlaggebend waren, dass in der Protestbewegung schlussendlich eine Gegenhegemonie gebildet und durchgesetzt werden konnte.
Die Studierenden werden sich als Vorbereitung auf die Lehrveranstaltung mit Basisliteratur zu den einzelnen Theorien beschäftigen und an Hand einer Medienanalyse die Rolle von neuen Medien und Al-Jazeera beleuchten. Zusätzlich wird länderspezifische Begleitliteratur zur Verfügung gestellt werden. Außerdem soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern die Revolution in Tunesien und das Verhalten externer Akteure (USA, EU, Israel,…) Einfluss auf die Entwicklungen in Ägypten hatte.
Schließlich soll darüber reflektiert werden, ob es der Bewegung tatsächlich gelungen ist revolutionäre Veränderung zu erzielen, oder ob lediglich ein bestehendes System reformiert wurde.

Europa und der Nahe Osten: Gemeinsamkeiten, Verflechtungen und Interessen (Benjamin Kaan)

Die Krise des kapitalistischen Weltsystems der letzten Jahre hatte seine Auswirkung auf Europa genausowie auf den Nahen Osten. Richteten sich die Proteste auf Europas Straßen primär gegen die Einschneidungen im Sozial- sowie im Bildungssystem als Folge neoliberaler Handlungsweisen, so protestiert die Arabische Straße in erster Linie gegen ihre autoritären Herrscher, die die Auswirkungen der wirtschaftlichen Krise dem Volk noch wesentlich deutlicher zu spüren gaben, als dies in Europa der Fall war.
Gibt es hierfür gemeinsame Ursachen auf der Makroebene? Welche Auswirkungen haben europäische Handlungen auf den Nahen Osten und umgekehrt? Wie unterscheidet sich der Protest des Volkes in einem demokratischen System von dem in einem Autoritären? Welche Lehren können aus den Protesten der letzten Jahre in beiden Regionen gezogen werden?

Theorien

Die Theorien sollten als Werkzeuge dienen die herausgearbeiteten Aspekte zu analysieren.
Für die neoliberale Theorie käme in Frage die Gleichsetzung von Demokratie und freier Marktwirtschaft zu analysieren. Ebenfalls sollte ein Augenmerk auf den Aspekt der Korruption gelegt werden und die extreme Teilung zwischen armer Masse und reicher Minderheit.
Für die Theorien zum reformistischen Ansatz könnte die grundlegende Frage analysiert werden in wie weit eine Reform möglich ist, wenn die vorgegebenen Strukturen diese nicht zu gewünschten Ergebnissen bringen.
Die Theorien Gramscis lassen sich vielseitig anwenden, ob die Rolle der Medien, der Aufbau einer Gegenhegemonie durch die „bewusste Masse“, die Rolle der Zivilgesellschaft sowie die Formierung und Organisation dieser zu einem Stellungskrieg, der dann in einem Bewegungskrieg die Schwachstelle des Systems (der bestehenden Hegemone) angreift,etc.
Bei Betrachtung der Regulationstheorie stellt sich die Frage, ob aus globaler Perspektive von einer Regulation zu sprechen ist und ob der Übergang von einer Diktatur zu einer Demokratie das kapitalistische System weiter stützt.

Im Folgenden werden mögliche Fragestellungen genannt, welche an Hand der genannten Theorien diskutiert werden sollen:

Neoliberalismus

Inwiefern stehen etwa die Preiserhöhungen auf Grundnahrungsmittel in Tunesien und Ägypten in Bezug mit den Policies von IWF und Weltbank? Welchen Handlungsspielraum lassen neoliberale weltpoltische Entwicklungen nationalen Regierungen überhaupt noch? Inwiefern unterliegen politische Regime im Nahen Osten externen Zwängen? Richten sich die Protestbewegungen im Nahen Osten gegen einzelne Akteure des Systems, oder gegen das System als solches?

Weltsystemtheorie

Inwiefern kann man bei Ländern des Nahen Ostens überhaupt von Semi-Peripherie sprechen? Ist diese Klassifizierung passend? Wo bestehen Zusammenhänge zu sozialen Bewegungen in Europa, aber auch zwischen den einzelnen Ländern des Nahen Ostens? Wo bestehen Dependenzen zwischen Ländern der Semi-Peripherie, der Peripherie und des Zentrums?

Regulationsansatz

Welche Elemente der sozialen Protestbewegungen und Revolutionen im Nahen Osten könnte man als reformistisch, welche als revolutionär bezeichnen? Reguliert sich am Ende das kapitalistische System nur selbst oder kann man rezente Entwicklungen tatsächlich als einen revolutionären Moment klassifizieren?

Gramscianismus

Wird im Rahmen der Protestbewegungen eine tatsächliche Gegenhegemonie etabliert? Sollte man in diesem Zusammenhang eher von Bewegungskrieg, oder von Stellungskrieg sprechen? Durch welche Teile der Zivilgesellschaft wird die Protestbewegung besonders stark getragen?

Materialien

Analyse von Interviews der Zivilgesellschaft

Tunesien

Aus Recherchegründen und starken Beziehungen zu Tunesien wird im August 2011 eine dreiwöchige Forschungsreise unternommen, die zur Aufzeichnung von Interviews von Personen der Zivilgesellschaft dienen soll, die sozusagen die ausgearbeiteten Untersuchungsfragen aus ihrer Sicht beantworten können.
Interessante Aspekte wären das Internet, Vernetzung, „Bürgerwehr“, Militär, die Frage nach Veränderung etc.
Die Reise wird von drei StudentInnen der Universität durchgeführt die durch ihren eigenen Migrationshintergrund über weitreichende Kontakte im Land verfügen. Wünschenswert wäre die Etablierung einer Struktur, die es zulässt eine optionale Reise für Studierende der internationalen Entwicklung anzubieten.

Ägypten

Im Juni unternimmt Adham Hamed mit drei Studierenden vom Institut für Internationale Entwicklung eine Forschungsreise nach Kairo. Dabei wird eine Reihe an qualitativen Interviews mit verschiedenen VertreterInnen der ägyptischen Protestbewegung, aber auch der alten Staatsklassen geführt werden. Ausschnitte daraus werden den Studierenden, neben ausgewählter Literatur als Arbeitsgrundlage zur Verfügung gestellt werden.

Europa

Die materielle Grundlage soll sowohl bereits recherchierte Literatur aus den vorherigen Tutorien, sowie aktuelle wissenschaftliche Beiträge, die Analyse von Medienberichten als auch die Einbettung der qualitativen Interviews der beiden Kollegen bilden. In Kombination mit der Basisliteratur soll dieses Material die Analyse der relevanten Fragestellungen ermöglichen.

Medienspiegel

Um die Rolle der Medien zu verdeutlichen, sollen Ausschnitte, sowohl aus Print, als auch aus den “neuen” Medien analysiert werden. Hierfür werden sowohl europäische, als auch arabische Medien verwendet werden.
Dazu werden die Theorien möglichst auf den Untersuchungsgegenstand angewandt, wobei zu erwarten ist dass ein wesentlicher Teil der Theorie Gramscis gewidmet sein wird.

Vorläufiger Terminplan

Verbindliches Koordinationstreffen

Abgabe der Hausübungen

Konzept des eigenen Workshops (Gruppenarbeit)
3 Essays über die jeweils anderen Theorien

Hütten-Wochenende

vorgeschlagener Termin: 16.-18. Dezember 2011

Freitag:

Anreise
Erarbeitung & Klärung aller vier Theorien.
Abend: Vorbesprechung der Kleingruppen; Erste Ausarbeitung relevanter Fragestellungen;

Samstag:

Ganzer Tag: Kleingruppen: Tunesien / Ägypten / Europa
Abend: Kurzpräsentation der Ergebnise der Kleingruppen

Sonntag:

Zusammenführung der Kleingruppen und Erarbeitung von Handlungsperspektiven
Abreise

Optional: Exkursionen nach Ägypten und Tunesien

Anfang Jänner bzw. in den Semesterferien wird interessierten Studierenden optional angeboten werden an einer Exkursion nach Ägypten bzw. Tunesien teilzunehmen, bei welcher sich die Gelegenheit bietet das bearbeitete Analysefeld direkt kennen zu lernen.
Ein Konzept hierfür wird der ÖH und anderen möglichen Förderstellen vorgelegt um Unterstützung zu erhalten.
Geplant sind unter anderem Gespräche mit VertreterInnen der Protestbewegung, der politischen Parteien, der Religionsgemeinschaften und der Medien.

Optional: Nachbereitung

Beide Exkursionsgruppen sollen sich zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch und zur Nachbereitung der Exkursionen noch einmal treffen. Zu diesem Treffen sind auch all jene, die nicht an den Exkursionen teilgenommen haben herzlich eingeladen.

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